mask

Die Schuld- und Haftungsfrage

Eine Entscheidung, die als Folge einen Schaden bei einer/einem Betreuten oder einer/einem Dritten nach sich zieht, kann immer zwei voneinander unabhängige Rechtsfolgen für die/den Verursacher/-in bedeuten, die getrennt zu betrachten sind:

  • Eine zivilrechtliche Folge = Schadenersatz
  • Eine strafrechtliche Folge = Bestrafung

 

Welche Risiken haben Betreuende und Gruppenleitende?

Bei der strafrechtlichen Haftung zucken die meisten unerfahrenen Betreuenden und Gruppenleitenden zusammen und befürchten, dass dies schlimmer ist als die zivilrechtliche Haftung. Dies ist meistens aber nicht der Fall, da bei Weitem nicht alle Schadensfälle eine strafrechtliche Folge haben. Eine zivilrechtliche Haftung kann über Jahre hin gesehen eine/-n Jugendleiter/-in härter treffen, da sie oder er zum Beispiel Jahrzehnte eine Rente an eine/-n Betreute/-n bezahlen muss, weil ihre/seine Arbeitskraft durch einen verschuldeten Schaden eingeschränkt ist.

Aufgrund der nicht so häufigen Fälle, die eine strafrechtliche Folge haben, betrachten wir zum größten Teil den zivilrechtlichen Bereich, um das Auftreten von Schadenersatzansprüchen zu minimieren.

Sind Betreuende und Gruppenleitende denn immer „schuld“?

Betreuende und Gruppenleitende haften nur für ihr eigenes Verschulden. Betreuende und Gruppenleitende können nur schadensersatzpflichtig gemacht werden, wenn sie sich schuldhaft verhalten haben.
Kommunen, örtliche Träger, Land oder Verband können mit Versicherung und Unterstützung zur Seite stehen. Zudem spielt der Träger der örtlichen Feuerwehr im Haftungsprozess eine bedeutende Rolle. Zumindest Gruppenleitende oder Jugendfeuerwehrwartinnen und -warte sollten qualifiziert sein bzw. qualifiziert werden, da sich die Schuldfrage so anders stellt und sich Schäden im besten Fall verringern. Versäumt der Träger der Feuerwehr für eine geeignete Auswahl und Eignung der Betreuenden und Gruppenleitenden zu sorgen, kann auch sie dafür verantwortlich sein oder gemacht werden.

Für Freizeiten oder Veranstaltungen gibt es kein Gesetz für Betreuende und Gruppenleitende, das diesen für alle Vorfälle die Haftung auferlegt. Die sogenannte „allgemeine Gefahr“ des täglichen Lebens muss von den betroffenen Kindern und Jugendlichen beziehungsweise ihren Eltern getragen werden. Das bedeutet, dass die Leitenden nicht für jeden Unfall haften.

Was ist Fahrlässigkeit?

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 276 BGB) gibt es nur zwei Varianten der Schuld:

  1. Vorsatz
  2. Fahrlässigkeit

Auf die erste Variante des Vorsatzes soll nicht weiter eingegangen werden, denn wer vorsätzlich einem Menschen Schaden zufügt, muss dafür einstehen und ist haftbar.

Umso wichtiger ist die Bedeutung von Fahrlässigkeit für Betreuende zu kennen, denn auch der erfahrenste und sorgfältigste Mensch kann einmal (aus Versehen) fahrlässig handeln.
Fahrlässigkeit bedeutet juristisch, dass im Einzelfall die im Verkehr oder im Alltag erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, allgemein als Unachtsamkeit oder Leichtsinn beschrieben.

Die Fahrlässigkeit wird juristisch im Zivilrecht in zwei Schweregrade eingeteilt: in leichte Fahrlässigkeit und in grobe Fahrlässigkeit. Die grobe Fahrlässigkeit ist darin definiert, dass die Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt wurde. Dieser Unterschied zwischen der leichten und der groben Fahrlässigkeit kann eine sehr wichtige Rolle bei den Schadenersatzansprüchen spielen.

Der Anspruch auf Schadenersatz begründet sich auf § 823 ff. BGB. Einschlägig ist für die Betreuenden und Gruppenleitenden jedoch vorrangig der § 832 BGB (Haftung der/des Aufsichtspflichtigen).

Drei Voraussetzungen für eine Haftung

Die Haftung durch die Jugendleiterin oder den Jugendleiter erfordert drei Voraussetzungen:

  1. Durch das aufsichtsbedürftige Kind wird eine dritte Person beziehugnsweise ihr/sein Eigentum geschädigt. (=>Schaden)
  2. Aufsichtspflichtige Person (wie JFW) hat ihre/seine Aufsichtspflicht verletzt (=> Verschulden).
  3. Der Schaden ist durch die Verletzung der Aufsichtspflicht entstanden (=> Kausalität).

In der Rechtsprechung ist es vielfach so, dass bei einer Schädigung Dritter durch eine/-n Aufsichtsbedürftige/-n die Aufsichtspflichtverletzung (Verschulden) und die Kausalität angenommen werden. Das bedeutet, dass die/der Aufsichtspflichtige hier in der Regel den Gegenbeweis erbringen muss.

Im strafrechtlichen Bereich muss die Staatsanwaltschaft eine Aufsichtspflichtverletzung nachweisen. Denkbar wäre dies zum Beispiel bei den Delikten fahrlässige Körperverletzung (in der Regel Strafantrag der/des Verletzten erforderlich) oder fahrlässige Tötung, sofern diese durch eine Verletzung der Aufsichtspflicht begangen wurde.

Mithaftung der Kinder und Jugendlichen

Natürlich ist nicht immer die Jugendleitung allein haftbar zu machen. Mithaftbar ist die/der Minderjährige zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr, wenn sie oder er einen Schaden verursacht hat und bei der Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte. Das bedeutet im Klartext, sie/er muss die Gefährlichkeit ihres/seines Handelns verstanden haben (bedingte Deliktfähigkeit).

Je älter die/der Minderjährige wird, desto höher ist der Teil der ihr/ihm übertragbaren Mitschuld. Dies schränkt die Haftung der Jugendleiterin oder des Jugendleiters ein beziehungsweise schließt sie teilweise aus.

Weiteres zu Entwicklungsstufen von Kindern und Jugendlichen findet sich hier!

Gesamtschuld und Mitschuld

Sind an einem Schaden mehrere Personen beteiligt, so haften sie als Gesamtschuldner. Hat ein Gruppenmitglied oder haben mehrere Mitglieder einen Schaden verursacht und die/der Leiter/-in ihre/seine Aufsichtspflicht vernachlässigt, so trifft die/den Leiter/-in die Gesamtschuld.

Gesamtschuldnerische Haftung bedeutet, dass die/der Geschädigte von einer/einem oder bei mehreren Verursacherinnen und/oder Verursachern von allen gemeinsam Schadenersatz fordern kann. Die/Der Geschädigte kann aber immer nur einmal fordern.

Werden in einem Fall nicht alle Verursachenden in Anspruch genommen, so können im Einzelfall Ausgleichsansprüche untereinander bestehen.

Hat die/der Geschädigte eine Mitschuld an dem Ereignis/Vorfall, kann dies dazu führen, dass die/der Schädiger/-in nur für einen Teil des Schadens oder eventuell gar nicht aufkommen muss.

Mithaftung der Eltern

Je besser die Eltern informiert sind, desto geringer kann die Haftung der Leiterin oder des Leiters sein und die Eltern haben eine sogenannte „Mithaftung“.

Wenn Eltern gegen ein im Fahrtenbrief bestimmtes Gebot (keine Messer, kein Feuerzeug) verstoßen, kann der entstandene Schaden auf sie zurückfallen. Das bedeutet zwar nicht, dass die Eltern die Kinder durchsuchen, aber auf sie einwirken müssen, dass die Gebote eingehalten werden. Die Leitung hat das Recht, diese Gegenstände in Verwahrung zunehmen, auch wenn die Eltern die Mitnahme gestattet haben. Sollte die Mitnahme nicht generell verboten sein, kann die Leitung die Verwahrung nur nach einem konkreten Anlass durchführen.

Zudem sind die Eltern darangehalten, die Leiterin oder den Leiter darauf hinzuweisen, welche Umstände für das Kind eine besondere Gefahrenquelle bedeuten könnten. Sie müssen zum Beispiel die Leitung darüber informieren, dass ihr Kind nicht gut schwimmen kann oder dass es regelmäßig Medikamente einnehmen muss. Dies sollte auch nicht am Tag der Abreise geschehen, sondern im Vorfeld, um sich besser darauf einstellen zu können, da es bedeuten kann den Betreuendenschlüssel anzupassen.

Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder mit chronischen Krankheiten dürfen und können nicht auf Grund ihrer Behinderung und chronischen Krankheit ausgeschlossen werden. Im Gegenteil – Leitung und Betreuende sind angehalten, Vorkehrungen zu treffen, die die Teilhabe trotz Behinderung möglich machen. Ein lösungsorientiertes Herangehen ist hier gefragt, ggf. mit den Eltern oder dem Jugendamt in Kontakt treten und dafür sorgen, dass alle mitkommen und teilhaben können, sei es durch ein Hilfsmittel oder durch eine Assistenz (siehe dazu UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 30 (5), Bundesteilhabegesetz § 78 Assistenzleistungen für die Freizeitgestaltung). Das ist und meint Inklusion, außerdem ist sie gewollt. Jugendfeuerwehr und Kindergruppen tragen selbstverständlich dazu bei, Behinderungen oder Barrieren zu überwinden!

Weisungen ängstlicher oder besorgter Eltern müssen beachtet werden. Hier darf die Leitung nicht die Weisungen verharmlosen oder abtun. Anweisungen wie „… darf nicht in die Sonne kommen“ oder „… darf nicht nass werden“ müssen berücksichtigt und gewährleistet werden.

Elterninformation

Wie schon oben geschrieben tragen die Eltern die „normale Gefahr“, doch die Voraussetzung ist, dass sie das Risiko kennen oder sich vorstellen können, welches Risiko sie dadurch eingehen, wenn sie ihr Kind aus der eigenen Aufsicht geben.

Daraus ergibt sich: Je genauer die Eltern informiert sind, was in der Gruppenstunde, im Zeltlager oder in der Freizeit passiert, umso geringer ist das Risiko der Leitung. Jedoch kann ihre Haftung verstärkt werden, wenn die Gefahr oder das Risiko verharmlost wird. Den Eltern und den Teilnehmenden darf in einem Brief nichts versprochen werden, was später nicht eingehalten werden kann.

Um diese Informationen an die Eltern zu bringen, kann sich die Jugendleitung zweier Möglichkeiten bedienen: Sie schreibt den Eltern einen Brief mit allen Informationen, die für die Ausfahrt oder Veranstaltung wichtig sind oder sie beruft einen Elternabend ein und informiert so die Eltern und kann gegebenenfalls auch noch weitere Fragen beantworten. Die beste Lösung ist eine Kombination beider Möglichkeiten.

(immer wieder) Gefahrenanalyse und Gefahrenabwehr

Was sollen die Betreuenden und Gruppenleitenden für die Aufsichtspflicht immer wieder tun? Wie schon weiter oben beschrieben, beinhaltet der Begriff Aufsichtspflicht, dass die Betreuenden und Gruppenleitenden gewisse Pflichten innehaben. Es handelt sich um …

  1. … die Pflicht zur umfassenden Information, das heißt sie müssen sich stetig über die persönlichen Umstände der Aufsichtsbedürftigen und die Besonderheiten der örtlichen Umgebung informieren.
  2. … die Pflicht zur Vermeidung und Beseitigung von Gefahrenquellen.
  3. … die Pflicht zu Hinweisen und Warnungen im Umgang mit Gefahren.
  4. … die Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung.
  5. … die Pflicht zum Eingreifen in gefährlichen Situationen.

Um diesen Pflichten nachzukommen, müssen die Betreuenden und Gruppenleitenden …

  • … richtige Anweisungen geben.
  • … deren Einhaltung und Ausführung überwachen.
  • … bei Bedarf die/den Minderjährige/-n zur Ordnung rufen, ermahnen.
  • … notfalls Konsequenzen aus dem Fehlverhalten der/des Jugendlichen ziehen.

Stellt die Leitung fest, dass ihre Anweisungen missachtet werden, muss sie unbedingt die Gruppe oder die/den Teilnehmer/-in zur Ordnung rufen, auch wenn sie damit rechnet, dass dies erfolglos sein wird. Dies ist zum eigenen Schutz unverzichtbar. Keiner der vier Punkte ist so schwer umzusetzen wie der letzte Punkt: Konsequenzen aus dem Fehlverhalten ziehen. Diese sollten sich nach der Art des Verstoßes, des Alters der/des Betreuten und der Intensität der Weigerung, der Weisung nachzukommen sowie nach der dadurch ausgelösten Gefahr richten.

Statt strafen - welche letzten Konsequenzen ziehen?

Hier sind einige denkbare letzte Konsequenzen, die in Betracht gezogen werden können:

  1. Die Gruppenleitenden unterbrechen die Aktivität (beispielsweise durch ein Aussetzen bei Brettspielen, eine Zeitstrafe bei Ballspielarten und wo weiter).
  2. Die Gruppenleitenden brechen die Aktivität (Übung, Experiment, Wanderung, Veranstaltung) ganz ab.
  3. Durch die Gruppenleitung wird ein vorübergehender Ausschluss von einer weiteren oder anderen zukünftigen Aktivität bzw. einer angenehmen Situation (zum Beispiel von der abendlichen Spielrunde ausgeschlossen und aufs Zimmer geschickt) kundgetan.
  4. Bei weiterhin nicht regelkonformem Verhalten erfolgt der Hinweis auf Verweigerung der Teilnahme an weiteren Ausflügen, Events oder besonderen Ereignissen.
  5. Die Eltern werden angerufen, informiert und eingebunden oder zu Not aufgefordert, telefonisch ernsthafte Weisungen zur Beachtung der Regeln zu erteilen.
  6. Heimfahrt nach Rücksprache mit den Eltern.
  7. Suspendierung oder Ausschluss aus der Gruppenstunde/dem JF-Dienst.

Angenommen ein Kind klaut wiederholt eine Badehose, dann ist ein Abbruch/Ausschließen nicht wirklich hilfreich und sinnvoll. Eine bessere Option wären hier die Rückgabe und die Regulierung des Schadens.

Dies macht zugleich deutlich, dass mit Beispielen veranschaulicht werden kann, wie bei einer „Tat“ zu handeln oder reagieren ist, wenn nicht dafür klare Regeln und Konsequenzen vorher festgelegt sind. Betreuende und Gruppenleitende kommen nicht umhin zu betrachten, was bei der „Tat“ den Rahmen darstellt, was der Schaden ist, was die Verletzung beziehungsweise was die Gefahr, um dann verschiedene Konsequenzen, deren Anwendung in der Lage ist zu deeskalieren, ausfindig zu machen.

Wichtig ist dabei, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und gewaltfrei zu bleiben. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung nach BGB §1631. Konsequenzen müssen im Zusammenhang mit dem falschen Verhalten, der „Tat“ oder dem Schaden stehen beziehungsweise sollten zeitnah erfolgen. Sie sollten immer angemessen und nachvollziehbar sein. Kinder und Jugendliche sollen letztlich aus ihrem Fehler/Fehlverhalten lernen können. Vergleiche zu Umgang mit Fehlverhalten auch: Elternbriefe "Gehts auch ohne Starfen"; Pädagogin Reimann-Hoehn "Logische Konsequenzen" und Elternwissen "Konsquenzen statt Strafen".