Aufsichtspflicht
Grundsätzliches
Prinzipiell unterscheiden sich die Aufsichtspflichten von Kindern und Jugendlichen aufgrund ihrer Befähigung, Gefahren zu erkennen, ihrer Reife und ihrer Erfahrungen und Fähigkeiten. Zwar gibt es kein Gesetz in dem die Aufsichtspflicht genau inhaltlich und umfänglich festgeschrieben ist, dennoch ist klar, dass Minderjährige (oder betreute Menschen) einer Aufsichtspflicht (immer/meist) unterliegen (können). Dies leitet sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 832 ab, wo es um die Haftung bei Aufsichtspflichtigen geht.
Daraus resultiert folgende Definition der Aufsichtspflicht:
Die Aufsichtspflicht bzw. die Pflicht zur Beaufsichtigung von einer Person besteht grundsätzlich nur für minderjährige Menschen. Wer volljährig ist, unterliegt weder der persönlichen Sorge seiner Eltern noch der Aufsichtspflicht anderer Personen oder Institutionen. Eine Ausnahme besteht nur bei Personen, die einen gesetzlich bestimmten Betreuer oder Betreuerin (früher bis 1992 Vormund) haben.
Die Aufsichtspflicht ist ein Teil der elterlichen Sorge, die nach Bürgerliches Gesetzbuch § 1626 geregelt ist und diese die Bereiche umfasst :
- Aufsichtspflicht
- Personensorge
- Pflege
- Erziehung
- Aufenthaltsbestimmung
- Gesetzliche Vertretung des Kindes
- Vermögenssorge
Die Aufsichtspflicht kann als ein Teil der elterlichen Sorge von den Sorgeberechtigten auf andere übertragen werden. Damit wird auch ein Teil des Erziehungsrechts an eine/-n Aufsichtsverpflichtende/-n übertragen. So entsteht eine nahtlose Aufsichtspflicht und für die/den Jugendliche/-n keine aufsichtsfreie Zeit.
Medientipps
- Die Arbeitshilfe Kinder in der Feuerwehr der DJF nimmt sich auch dem Thema Aufsichtspflicht ab Seite 56 an.
- Auch im Lauffeuer sind bspw. Artikel zum Thema erschienen:
Ab wann gilt für uns die Aufsichtspflicht? Und was sind Minderjährige?
Für alle unserer Jugendfeuerwehrmitglieder bzw. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr haben die Gruppenleitenden oder Betreuende die Aufsichtspflicht über die Gruppe inne.
Auch in der Freiwilligen Feuerwehr muss noch einmal betrachtet werden, inwieweit die Aufsichtspflicht für Jugendliche besteht und wer sie dort (verantwortlich) innehat. Aus unserer Sicht der Dinge obliegt die Aufsichtspflicht im Allgemeinen (auch) der Wehrleitung. Es ergibt Sinn, diesbezüglich in einen Dialog mit der Leitung der Feuerwehr und Jugendämtern einzutreten, um eine Qualifizierung der Aufsichtspflicht analog JuLeiCa zu erreichen. Dies kann zur Folge haben, dass vermehrt vielleicht auch die Wehrleitung beispielsweise zu JuLeiCa-Schulungen müssten.
Minderjährigkeit:
Definition Minderjährige nach § 828 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
„(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
(2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.
(3) Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.“
Geschäftsfähigkeit:
Aus der Minderjährigkeit (nach BGB §828) leiten sich Abstufungen in Bezug auf Geschäftsfähigkeit ab und zwar nach BGB § 104 und folgende:
Bis 7 Jahre | Geschäftsunfähig nach § 104 BGB |
Von 7 bis 18 Jahren | Bedingt geschäftsfähig nach § 106 ff. BGB |
Ab 18 | Volljährig und voll geschäftsfähig |
Ebenso wirkt sich die Minderjährigkeit (nach BGB §828) auf das Strafgesetzbuch (StGB) aus; hier StGB § 19. Hier wird auch nach Altersgruppen und Schuld- und Deliktfähigkeit unterschieden. Unter Deliktsfähigkeit wird in Deutschland etwas anderes als unter Schuldfähigkeit verstanden! Schuldfähigkeit meint dasselbe wie Strafmündigkeit. Bis 14 Jahre sind Kinder/Jugendliche nicht strafmündig. Dagegen bezieht sich die Deliktsfähigkeit auf die zivilrechtliche Regelung, also ob eine Person gegebenenfalls schadensersatzpflichtig ist. 7-18jährige Personen sind beschränkt deliktsfähig, d. h. sie sind verantwortlich für ihr Handeln, wenn sie das Unrecht einsehen/verstehen können.
Zivilrechtliche Deliktfähigkeit:
bis 7 Jahre | Deliktunfähig |
7–21 Jahre | Beschränkt deliktfähig (zivilrechtlich) |
Ab 18 | Volljährig und voll deliktfähig |
Strafrechtliche Schuldfähigkeit:
Bis 14 Jahre | Schuldunfähig/Strafunmündig (strafrechtlich) |
14–21 Jahre | Bedingt schuldfähig |
Ab 21 | Volljährig und voll schuldfähig |
Zweck der Aufsichtspflicht
Die Aufsichtspflicht umfasst zwei Schutzzwecke:
Zunächst sollen die Betreuenden und Gruppenleitende die Minderjährigen, die ihnen anvertraut sind, vor Schäden jeglicher Art – körperliche, geistige, sittliche, gesundheitliche, seelische sowie Sachschäden – schützen. Sie sind zum Beispiel auch für eine ausreichende Ernährung und Hygiene verantwortlich. Es ist für diesen Schutzzweck irrelevant, ob sich die/der Aufsichtsbedürftige selbst schädigt oder durch andere geschädigt wird.
Weiterhin sollen die Betreuende und Gruppenleitenden außenstehende Dritte vor Schäden – körperlicher, geistiger, sittlicher, gesundheitlicher und seelischer Art – schützen, die durch die/den Aufsichtsbedürftige/-n verursacht werden können.
Hintergrund „Reife“
Der Hintergrund dazu ist in der Annahme begründet, dass Minderjährige aufgrund ihres Alters und der daraus resultierenden fehlenden körperlichen und geistigen Reife die drohende Gefahr nicht erkennen oder richtig einschätzen können. Daraus ergibt sich automatisch eine höhere Gefahr für aussenstehende Dritte, die durch die Handlungsweise der Minderjährigen besteht.
Aufsichtspflicht – ein Teil der elterlichen Sorge
Die Aufsichtspflicht ist nur ein kleiner Teil der elterlichen Sorge und kann als einziger Teil ohne große Voraussetzungen von den Sorgeberechtigten an einen Dritten übertragen werden. Für alle anderen Bereiche (zum Beispiel Vermögenssorge, Personensorge) wird in der Regel ein Vormund durch das Jugendamt bestimmt.
Mit der Aufsichtspflicht wird auch ein kleiner Teil des Erziehungsrechts mit übertragen. Das ist nicht nur für eine ordentliche Aufsichtspflicht notwendig, sondern ermöglicht es den Betreuenden und Gruppenleitenden auch, gewisse Erziehungsziele des Jugendverbandes zu erreichen, solange die sich in den Grenzen der Gesetze und Sitten bewegen.
Drei Arten der Aufsichtspflicht
Es wird zwischen drei Arten von Aufsichtspflichten unterscheiden:
- Gesetzliche Aufsichtspflicht
- Vertragliche Aufsichtspflicht
- Gefälligkeitsaufsicht
Die gesetzliche Aufsichtspflicht obliegt in aller Regel den Eltern, gegebenenfalls einem Elternteil nach einer Trennung der Eltern und der Übertragung der elterlichen Sorge auf den Elternteil oder gerichtlich eingesetzten Betreuer/-in (früher Vormund) aber auch die Lehrkräfte in Schulen. Die Aufsichtspflicht entsteht kraft Gesetzes.
Die vertragliche Aufsichtspflicht ergibt sich, wie der Wortlaut beschreibt, aufgrund eines Vertrags. Dieser Vertrag ist beispielsweise in den Kindergruppen und der Jugendfeuerwehr der Aufnahmeantrag.
Die Gefälligkeitsaufsicht liegt vor, wenn sie nur gelegentlich, für kurze Zeit und aus reiner Gefälligkeit geschieht. Sie besteht vor allem dann, wenn die Aufsichtsperson nicht den Willen zur rechtlichen Bindung hat. Sie übernimmt nur die Aufsicht, aber nicht die Aufsichtspflicht.
Im Gegensatz zur Gefälligkeitsaufsicht kann bei der vertraglichen Übernahme der Aufsichtspflicht im Schadensfalle die Person, die die Aufsichtspflicht innehatte, in Regress genommen werden. Diese vertragliche Übernahme betrifft Erziehende, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Babysitter/-innen, Vereine und Übungsleitende.
Aufsichtspflicht bei Inhalten der allgemeinen Jugendarbeit und Politik
Jugendleiterinnen und Jugendleiter sollten sich trotz des kleinen Teils der übergebenen Aufsichtspflicht durch die Erziehungsberechtigten bei bestimmten Themen zurückhalten. Bei politischen, weltanschaulichen und sexuellen Themen sollte Rücksicht auf die Kinder und Jugendlichen genommen und auch nicht bis aufs Letzte seine eigene Meinung vertreten werden. Einige Eltern sehen so etwas als Einmischung oder besser einseitige Beeinflussung in die Erziehung der Kinder und Jugendlichen an und können empfindlich reagieren.
Dennoch bleiben das Recht und auch die Pflicht unberührt, dass Betreuende und Gruppenleitende auf konkrete Fragen der Kinder und Jugendlichen eine konkrete Antwort geben können und sollen.
Das tangiert eben nicht, Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten und zu fördern und so ihnen politische Bildung zu bieten. Politische Bildung ist nicht zu verwechseln mit parteipolitischen Ansichten! Bei der politischen Bildung geht es ja darum zu verstehen, zum Beispiel welche Parteien wofür stehen (ohne nur eine zu bevorzugen) oder das Pro und Kontra einer Energiewende in den Blick zu nehmen. Dennoch kann und sollten auch Demokratie und demokratische Werte ebenso wie das Grundgesetz oder Kinderrechte gelehrt werden!
Kinderrechte heißt auch, sich eine Meinung jenseits der eigenen Eltern zu bilden. Es ist unser Auftrag, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen. Der „Beutelsbacher Konsens“ zur politischen Bildung hilft uns da sicher etwas weiter: Hier sollen bei Kontroversen verschiedene Meinungen aufgezeigt werden und nicht nur eine. Und dennoch gibt es Haltungsfragen, zum Beispiel bei Rassismus, hier sollten wir unsere Werte auch benennen, verteidigen und nicht darüber diskutieren, ob Rassen existieren oder gar hierarchisiert wären. Zur Haltung kommen schnell auch Aufsichtspflichten hinzu.
Linktips zur politischen Bildung und zur Neutralität im Jugendverband
- Im Kapitel Neutralitätsgebot gegenüber Parteien gehen wir kurz auf die Thematik und Herausforderung ein.
- Bayrischer Jugendring (2019): Jugend und Demokratie – Zum Umgang mit Parteien in der politischen Bildungsarbeit in der Jugendarbeit (Arbeitshilfe)
- Der Deutsche Bundesjugendring hat dazu eine Position verfasst und sich u. a in einem Podcast dazu geäußert.
- Podacast: Politische Bildung ist nicht wertneutral mit Christian Weiß (DBJR)
- DBJR-Position zu politischer Bildung (2020). Hier sicher interessant der Abschnitt „Übertragung des parteipolitischen Neutralitätsgebots für Akteurinnen und Akteure des Staates auf die Zivilgesellschaft.
- Im Fachforum der Naturfreundejugend Deutschlands im Rahmen des 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages (2021) trug Jana Säman vom Landesverband Bremen über Neutralitätspostulate als Versuch der Delegitimation emanzipatorischer Jugend(bildungs)arbeit bei.
Wege der Übertragung der Aufsichtspflicht
Die Aufsichtspflicht liegt, wie oben beschrieben, grundsätzlich bei den Eltern, kann aber durch mehrere Wege an jemanden übertragen werden. Dies kann per Gesetz, per Vertrag oder aus Gefälligkeit sein.
Für die Übertragung und Übernahme der Aufsichtspflicht bedarf es keiner besonderen Form. Es muss auch keine ausdrückliche Form beachtet werden. Es reicht vom Grundsatz aus, dass die Eltern in Kenntnis gesetzt wurden, dass die Kinder und Jugendlichen bei der Gruppe mitmachen und dort aktiv sind (schlüssiges Handeln). In jedem Falle ist aber ein „Übergabeakt“ erforderlich. Das bedeutet, dass unter beidseitiger Beteiligung der Wille zur Übertragung der Aufsichtspflicht deutlich wird. Auch dieser „Übergabeakt“ ist an keine Form gebunden. Bei den Kindergruppen und Jugendfeuerwehr dürfte er in der Regel stattfinden, wenn die Eltern ihre Kinder bei den Gruppenleitenden anmelden und sich über die Modalitäten und Bedingungen informieren.
Die Betreuende und Gruppenleitende müssen sich bei der Übernahme über die möglichen rechtlichen Folgen bewusst sein und sich dementsprechend auch rechtlich binden wollen. Der bestehende Wille der Bindung kann festgestellt werden, da sich die Gruppenleitenden entschieden haben, eine JuLeiCa zu beantragen. Wie schon eben erwähnt, bedarf es keiner besonderen Form. Der Gesetzgeber sieht hier das schlüssige Handeln der Jugendleiterin oder des Jugendleiters (Aufnahme in die Gruppe) als ausreichend an. Es bedarf aber eines Übergabeaktes.
Wann beginnt die Aufsichtspflicht (zeitlich/räumlich)?
Die vertragliche Basis wurde mit dem Aufnahmeantrag geschaffen und es bedeutet, dass die Aufsichtspflicht mit dem Kommen der/des ersten Aufsichtsbedürftigen beginnt und endet grundsätzlich erst, wenn der letzte nach Hause geht. Für den Hin- und Rückweg besteht jedoch keine Aufsichtspflicht, die mit dem Ende der Zusammenkunft wieder auf die Eltern übergeht.
Anders sieht es auf einer Ausfahrt aus. Hier besteht die Aufsichtspflicht von Beginn bis Ende durchgängig. Da aber auch die fleißigsten Betreuenden und Gruppenleitenden irgendwann einmal schlafen müssen, ruht die Aufsichtspflicht während des Schlafens, wenn sich die aufsichtspflichtige Person vorher davon überzeugt hat, dass alle Aufsichtsbedürftigen schlafen. Hört der/die Jugendleiter/-in nachts jedoch ein verdächtiges Geräusch, besteht die Aufsichtspflicht wieder im vollen Umfang. Besonders schlafraubend kann es werden, wenn die Aufsichtsbedürftigen in der Pubertät sind. Sind die Jugendlichen in einem Alter, in dem das andere oder das gleiche Geschlecht im Sinne der Sexualität interessant wird, müssen die Betreuenden und Gruppenleitenden besonders nachts in erhöhtem Maße wachsam sein und aufmerksam der Aufsichtspflicht nachkommen.
Die Aufsichtspflicht endet bei einer Ausfahrt erst mit dem Zeitpunkt, an dem die/der Aufsichtsbedürftige wieder an ihre/seine Eltern übergeben wird beziehungsweise die Kinder und Jugendlichen auf dem Heimweg von der Wache sind. Bei Jugendlichen, die sich allein auf den Heimweg begeben, sollte eine Absprache mit den Eltern bestehen. Solche Absprachen entlasten die Betreuenden und Gruppenleitenden.
Ausschluss oder Begrenzung der Aufsichtspflicht
Für die Betreuenden und Gruppenleitenden stellt sich die Frage, wenn sie die Aufsichtspflicht ohne bestimmte Form annehmen können, dann müssten sie doch auch ohne Form diese Pflicht ablehnen können. Das stimmt nicht!
Ein Beispiel hierfür ist das Verlassen des Zeltlagers ohne eine Aufsichtsperson. Haben die Eltern zugestimmt, dass sich ihr Kind alleine vom Zeltlagergelände entfernen darf, liegt die Aufsichtspflicht für die Zeit des Fernbleibens nicht bei den Betreuenden und Gruppenleitenden.
Die Aufsichtspflicht kann in bestimmten Bereichen ausgeschlossen werden. Die Gruppenleitenden müssen dies aber den Eltern vor der Zustimmung, Aufnahme, Übernahme der Aufsichtspflicht mitteilen. Die Eltern sollten diesen Ausschluss / diese Begrenzung auch unterschreiben, damit die Gruppenleitenden dies auch schriftlich in der Hand haben und nachweisen können. Ist dies nicht der Fall und schriftlich fixiert, besteht die volle Aufsichtspflicht.
Übertragung der Aufsicht auf Minderjährige
Die Übertragung der Aufsichtspflicht an eine/-n minderjährige/-n Jugendliche/-n ist insoweit möglich, als dass die Eltern des/der zu beaufsichtigenden Jugendlichen vorher zustimmen müssen. Ist keine Zustimmung erfolgt, ist die Übertragung so lange unwirksam, bis die Eltern später dieser Übertragung zustimmen. Die/Der andere Jugendliche kann aber die Aufsichtspflicht nur übernehmen, wenn sie oder er eine gültige JuLeiCa besitzt und deren oder dessen Eltern darum wissen.
Ist eine Zustimmung der Eltern nicht vorhanden, übernehmen minderjährige Betreuende und Gruppenleitende zwar faktisch die Aufsicht, nicht aber die Aufsichtspflicht. Die Zustimmung der Eltern der zu beaufsichtigenden Personen ist hier jedoch nicht notwendig und diese müssen auch nicht informiert werden.
Minderjährige Betreuende und Gruppenleitende haben mit der Übernahme der Aufsichtspflicht zwar die gleichen Rechte und Pflichten wie volljährige Betreuende und Gruppenleitende, doch werden sie damit eben nicht gleichzeitig auch volljährig. Das bedeutet, dass auch für die minderjährigen Betreuende die altersspezifischen gesetzlichen Bestimmungen gelten. Das heißt, die Haftung ist eine andere und ihnen obliegen deshalb nicht die Pflichten wie bei Volljährigkeit; auch werden sie nicht zu „Erziehungsberechtigten“ im Sinne des Jugendschutzgesetzes (JuSchG).
Sollte eine Einzelübertragung der Aufsichtspflicht bestehen, so ist eine Übertragung an eine/-n Dritte/-n nicht zulässig. Diese Einzelübertragung kommt bei Organisationen, Vereinen selten vor, da es in der Natur der Sache liegt, dass im Ehrenamt auch die Aufsichtspersonen wechseln können und damit die Aufsichtspflicht delegierbar sein muss. Die Eltern schließen einen Vertrag mit dem Verein oder der Organisation, der beziehungsweise die die Aufsichtspflicht an die entsprechenden Gruppenleitenden und letztlich ihren Teams aus Betreuenden delegieren.
Es ist aber zu beachten, dass die Delegation der Aufsichtspflicht an eine ungeeignete Person oder die bewusste Überforderung der Aufsichtsperson eine Aufsichtspflichtverletzung darstellen kann. Hier gilt, dass die Person haftet, die delegiert hat. Deshalb sollte vorher überprüft werden, ob die ausgewählte Person geeignet ist, was Reife, Erfahrungen, Fähigkeiten, Wissen, Rechtsempfinden und Qualifikation (JuLeiCa) angehen. Eventuell ist es ratsam, der ausgewählten Person in der Anfangszeit zur Seite zu stehen, um so zu sehen, ob die Person der Aufgabe gewachsen ist oder ob eventuell noch methodisch unterstützt werden muss.
Aufsicht durch Gruppenmitglieder
Die Aufsicht, aber nicht die Aufsichtspflicht, kann im Notfall auch an ein Gruppenmitglied übertragen werden. Die Voraussetzung hierfür ist, dass es geistig und charakterlich dazu in der Lage ist, diese Verantwortung zu übernehmen.
In einem Notfall muss es sich um eine Situation handeln, in der die Jugendleiterin oder der Jugendleiter keine andere Möglichkeit hat, als die Aufsicht an ein Gruppenmitglied zu übertragen.
Umfang der Aufsichtspflicht für Betreuende und Gruppenleitende
Betreuende und Gruppenleitende müssen grundsätzlich das erforderliche Maß an Sorgfalt den entsprechenden Umständen anpassen. Das ist hinsichtlich des Alters und der Leistungsfähigkeit der Gruppe sowie der oder des Einzelnen zu bedenken. Zudem müssen die Betreuenden und Gruppenleitenden die Eigenschaften der einzelnen Jugendlichen (zum Beispiel übermütig, sprunghaft und so weiter), Einschränkungen, Krankheiten und auch Allergien beachten und danach handeln.
Auch die äußeren Umstände haben großen Einfluss. Diese im Hinterkopf sollte die Sorgfalt stets überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, wenn sich zum Beispiel größere oder andere Gefahren ergeben. Die äußeren Umstände sind im Kontext der Feuerwehr die ortsbezogenen Umstände wie beispielsweise die Sicherheit des Gebäudes (Stromkabel, Scheiben, Notausgänge), die Sicherheit des Geländes (Verkehrslage, Abzäunung), die Sicherheit von Spielgeräten und noch vieles mehr. Daher ist es wichtig, die Aufsicht situationsbedingt zu führen.
Auch Gerichte haben festgestellt, dass ein übermäßiges Fernhalten von Gefahren genauso negativ ist wie ein übermäßiges Überwachen (OLG Koblenz VersichR. 95/59). Der Ermessensspielraum für Gerichte ist groß, jedoch haben die Gerichte in der Vergangenheit weitgehend anerkannt, dass Jugendliche ab einem bestimmten Alter einen gewissen Freiraum brauchen und dass dessen Gewährung nicht gleich fahrlässig ist (z. B. BGH NJW 84/2574).
Anwesenheit der Eltern und die Aufsichtspflicht
Die Situationen, in denen die Eltern als Begleitende fungieren, sind sicher nicht so selten wie zunächst vermutet. Dies ist als Unterstützung hilfreich, jedoch können sich daraus auch neue Problemfelder ergeben. Meistens ist nicht restlos geklärt, wer bei solchen Ausfahrten oder Veranstaltungen die Aufsichtspflicht hat. Sollten die Eltern bei der gleichen Veranstaltung mit einer Aufgabe eingebunden sein (Getränkeverkauf, Beaufsichtigung einer anderen Gruppe), so sind sie nicht in der Lage, die Aufsichtspflicht für das eigene Kind wahrzunehmen. Sind sie aber als sog. (Hilfs-)Betreuer eingesetzt, so sollte im Vorfeld geklärt werden, wie man im Team mit der Aufsichtspflicht umgehen möchte.
Pflichten der Betreuenden und Gruppenleitenden
Die Betreuenden und Gruppenleitenden sind verpflichtet, sich und ihre Helfer über die Umstände des Kindes sowie über die ortsbezogenen, aktuellen und situativen Umstände zu informieren. Sie sind weiterhin verpflichtet, die Kinder und Jugendlichen über mögliche Gefahren zu informieren und darüber auch Ge- und Verbote auszusprechen (zum Beispiel Schmuck tragen, richtiges Nutzen der Geräte). Gleichzeitig sollten Konsequenzen für ein Fehlverhalten definiert werden.
Persönliche Verhältnisse der Betreuenden
Betreuende dürfen keine Aufgabe übernehmen, der sie mangels Fertigkeiten oder Fähigkeiten nicht gewachsen sind. Betreuende, die selbst nicht schwimmen können, dürfen beispielsweise keine Aufsicht beim Baden der Kinder und Jugendlichen übernehmen.
Die Teamleitung sollte regelmäßige Beratungen mit den Betreuenden vornehmen. So wird allen Betreuenden die Möglichkeit gegeben, ihr Verhalten zu reflektieren und kollegialen Rat bei anderen einzuholen.
Leitenden und Betreuenden ist nur ein verträglicher, bestimmter Umfang der Aufsicht oder Aufsichtspflicht zuzumuten. Es kann und wird nicht verlangt, dass diese Aufgaben psychisch und physisch überfordern. Das heißt, keine Nachtwache halten und so gewährleisten, dass in der Nacht nichts passiert. Selbst schlafen zu gehen ist möglich, wenn sich davor davon überzeugt wurde, das alle teilnehmenden Kinder und Jugendlichen schlafen. Die Aufsichtspflicht entfällt damit aber nicht gänzlich, Betreuende und Leitende müssen im Haus oder im Zeltlager vor Ort sein.
Eine Nachtwache kann nur erforderlich werden, wenn die Leitenden beziehungsweise die Betreuenden im Vorwege erfahren, dass sich Kinder oder Jugendliche in der Nacht aus dem Haus oder Zeltlager „stehlen“ wollen.
Betreuende-Gruppenmitglieder-Schlüssel
Pro Betreuerin oder Betreuer ist davon auszugehen, dass acht Kinder oder Jugendliche sinnvoll und gut zu beaufsichtigen sind. Dieses Zahlenverhältnis hängt aber wieder vom Alter, der Reife, der Art der Beschäftigung, der Umwelt und der Situation ab.
Weiterführende Infos unter dem Link
Weitere Hinweise zum angemessenen Verhältnis oder dem Betreuenden-Schlüssel finden sich in der Empfehlung hier!
Aufsichtspflichtschritte
Betreuende und Gruppenleitende müssen die Aufsichtspflichtschritte einhalten! Um ihrer Aufsichtspflicht gerecht zu werden, müssen die Leitenden und Betreuenden folgende Schritte eingehalten und durchgeführt haben:
1. Belehrung und Mahnung vornehmen
- Auf gefährliche Situationen und Verhaltensweisen aufmerksam machen.
- Je größer die Gefahr, desto intensiver die Belehrung.
2. Ge- und Verbote aussprechen
- Sie müssen eindeutig und nachvollziehbar sein und auch konsequent durchgeführt werden.
- Die Ge- und Verbote dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass sie zum Selbstzweck sind und die Leitung und Betreuende entlasten sollen.
- Die Gründe müssen transparent und sachlich darstellbar sein.
- Das Maß an Verboten sollte auf das Mindeste beschränkt werden, da sich Kinder meistens nicht mehr als sechs verschiedene Verbote merken können.
3. Stichproben auf Einhaltung der Ge- und Verbote durchführen.
4. Notwendiges Eingreifen
- Werden Ge- und Verbote nicht eingehalten, so müssen Leitende und/oder Betreuende handeln. Sie müssen die Mutwilligkeit der Handlung abschätzen.
- Verschiedene Handlungsmöglichkeiten als Konsequenz sind:
- Ermahnung/Erklärung (zum Beispiel etwas zu lassen, weil verboten bzw. gefährlich) und Abmahnungen („Beim nächsten Mal hat es Konsequenzen.“) aussprechen
- Wegnahme eines gefährlichen Gegenstands
- Zeitlich begrenzter Ausschluss aus der Gruppe
- Abbruch der Veranstaltung
- Übernahme einer zusätzlichen Aufgabe (zum Beispiel Küchendienst)
- Verlegung aus dem Zimmer
- Info an die Eltern
- Ausschluss oder Heimfahrt (vorher Absprache mit Eltern beziehungsweise Reiseveranstalter)
Was ist nicht erlaubt als Betreuende und Gruppenleitende?
Es ist den Leitenden / den Betreuenden NICHT erlaubt:
- zu züchtigen,
- Strafgelder zu bestimmen,
- Selbstjustiz durch die Gruppe zuzulassen,
- den Pranger-Effekt zu nutzen (in die Ecke stellen),
- Gesundheitsgefährdende Maßnahmen durchzuführen (kalt duschen),
- Essensentzug durchzusetzen,
- Stubenarrest auszusprechen (Freiheitsentzug),
- Taschengeld zu entziehen (§ 110 BGB),
- jemanden bloßzustellen (P auf der Stirn),
- Schlaf zu entziehen.
Link- bzw. Literaturtipps zur Aufsichtspflicht und Unfallvermeidung aus Sicht der Unfallkassen
- Für Kinder in der Feuerwehr haben die Feuerwehr-Unfallkassen (FUK) 2013 eine Handreichung zur Gefahrenanalyse und Gefahren im Gerätehaus und bei Fahrzeugen herausgegeben. Mehr hier: https://www.hfuknord.de/hfuk-wAssets/docs/service-und-downloads/download-praevention/jugendfeuerwehr-downloads/Begleitheft-Kinder-in-der-Feuerwehr.pdf
- Auch müssen Kinder und Jugendliche vor zu hohen Traggewichte und körperlichen Anstrengungen geschützt werden. Dazu hat die HFUK einen Artikel „Warum dürfen nicht?“ zu Höchstgewichten, die Schutzbefohlene heben oder tragen dürfen veröffentlicht.
Mehr hier: https://www.hfuknord.de/hfuk-wAssets/docs/service-und-downloads/download-praevention/fachbeitraege/Fachbeitrag_UB-Feuerwehr_10-2005.pdf - Unter Gesichtspunkten der Aufsichtspflicht und der Unfallvermeidung hat die Unfallkasse Hessen zusammengestellt, was bei feuerwehrtechnischen Übungen der Jugendfeuerwehren möglich, erlaubt und was unerlaubt und auszuschließen ist, um das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu schützen, Gefahren abzuwehren und Unfälle zu vermeiden. Selbstverständlich dürfen Kinder und Jugendliche nicht an Feuerwehreinsätzen teilnehmen und auch das Üben beispielsweise mit Atemschutzgeräten ist gefährlich und untersagt. Weitere Infos hier: https://www.ukh.de/feuerwehr/kinder-und-jugend/sichere-jugendfeuerwehr
- Auch die HFUK Nord und FUK Mitte haben in der Broschüre „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Unfallverhütung bei Kindern und Jugendlichen in der Feuerwehr“ im Blick. Mehr hier: https://www.hfuknord.de/hfuk-wAssets/docs/jugendfeuerwehr/Unfallverhuetung-bei-Kindern-und-Jugendlichen-in-der-Feuerwehr.pdf
- Zudem haben sie „Der Sicherheitsbrief“ Nr. 37(1/2015 mit dem Titel-Schwerpunkt „Unfallverhüttung in der Kinderfeuerwehr“ herausgegeben. Mehr hier: https://www.fuk-mitte.de/sites/default/files/media_files/sicherheitsbrief_37.pdf