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Pädagogik der Vielfalt – Diversity

Menschen sind durch eine Vielzahl von Merkmalen und Eigenschaften charakterisiert, die sich verschiedenen Bereichen zuordnen lassen. Geschlecht, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung, körperliche und geistige Verfassung, Alter, ethnische Herkunft, soziale Zugehörigkeit, Begabungen, Interessen und Handlungsweisen, Lebensstile etc. Als Erstes fallen dabei die scheinbar offensichtlichen Merkmale auf. Dies sind zum Beispiel Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft. Allerdings können sich Menschen trotz dieser offensichtlichen Merkmale in ihrer Wahrnehmung irren. Je nach Kontext bestehen zwischen Individuen zugleich Gemeinsamkeiten (die uns auch zu Gruppen gehören lassen) und auch Unterschiede.  

Der Diversity-Ansatz zielt auf die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt sowie die Akzeptanz von „Anderen“. Gesellschaftlich bedeutet die Umsetzung von Diversity eine Chance auf eine vollständigere Teilhabe jeder oder jedes Einzelnen. Bisher wird Verschiedenheit nur wenig toleriert oder gar als etwas Positives, zum Beispiel als Bereicherung, wahrgenommen. 

Wird der Begriff der Toleranz als „Achtung bzw. Duldung gegenüber anderen Auffassungen, Meinungen und Einstellungen“ definiert, so sollte er stets kritisch hinterfragt werden. Hinter der Forderung nach mehr Toleranz stehen oftmals die Eigeninteressen vermeintlich dominierender Mehrheiten. So können zum Beispiel heterosexuell orientierte Menschen, die in der heutigen Zeit noch immer als „normal“ bzw. „Mehrheit“ gelten, andere sexuelle Orientierungen von Menschen tolerieren. Dies geschieht meist mit der Voraussetzung, selbst von deren Vorlieben verschont zu bleiben. Sie stellen ihre Mehrheit in den Vordergrund und werten andersdenkende als Minderheiten ab. Die so geschaffene Macht über eine Minderheit stellt ein hervorragendes Herrschaftsinstrument dar. Die Sozialwissenschaftlerin C. Brunner beschreibt Toleranz als wichtigen Bestandteil für ein friedliches Miteinander einer Gesellschaft. Für sie steht fest, Toleranz mildert Konflikte zwischen gegensätzlichen Interessen. Zugleich hält sie fest, die Rollenverteilung ist selten gerecht und die Entscheidung, wie weit Toleranz geht, bleibt häufig der Mehrheit vorbehalten. Demzufolge kann Toleranz nicht nur als moralische Forderung gesehen werden, sondern ist zugleich ein Instrument der Macht.  

Die pädagogischen Zielsetzungen des Diversity-Ansatzes sind:  

  • Sensibilisierung für soziale und kulturelle Vielfalt 
  • Entdeckung von Gemeinsamkeiten 
  • Ermöglichung von Perspektivwechseln 
  • Vermittlung von Kenntnissen über Stereotype und Vorurteile sowie über deren Auswirkungen 
  • Thematisierung von Machtverhältnissen 
  • Anregung zu Selbstreflexion und eigenem Handeln 

Vielfalt in der Sprache

Sprache dient dazu, miteinander kommunizieren zu können, sich gegenseitig anzusprechen und kennenzulernen. Sie ist dabei mehr als nur ein neutrales Werkzeug. Sprache besitzt eine Funktion, denn jedes Wort hat eine Bedeutung und Wirkung. 

Mit einer geschlechtergerechten Wortwahl wird versucht, sich an alle Menschen zu richten und niemanden auszuschließen. So soll es möglich werden, dass sich Menschen aller Geschlechter angesprochen fühlen. Gemeint ist hierbei nicht das biologische Geschlecht, sondern das soziale Geschlecht. Dies bedeutet, dass es nicht nur Männer, Frauen und die von der Gesellschaft an diese Geschlechter herangetragenen Erwartungen gibt. Geschlechtergerechte Sprache ist ein Mittel zur sprachlichen Darstellung sozialer Geschlechter und Geschlechtsidentitäten. 

Als geschlechtergerechte Strategie der Sichtbarmachung in Sprache, Schrift und Bild wird auf dieser Internetseite zum Beispiel die (interne) Informationsmappe der DJF zum gendergerechten Sprachgebrauch verwendet. Hiermit kann unter anderem aktiv zur Gleichberechtigung der Geschlechter und zu einer inklusiven Ansprache aller sexuellen und geschlechtlichen Identitäten beigetragen und trotzdem grammatisch richtig im Sinne des Rats für deutsche Rechtschreibung kommuniziert werden. 

Diese Vorgehensweise zeigt auf, dass es über Frauen und Männern hinaus auch Personen gibt, die sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen können oder wollen. Mit einer solchen Strategie sollen alle Menschen angesprochen und sichtbar gemacht werden, unabhängig davon, wie sie sich, definieren (beispielsweise als trans*, inter*, weder / noch, nicht-ident, männlich, weiblich oder anderweitig geschlechtlich). 

Dabei ist nicht das Ziel, die geschlechtliche Identifikation von Menschen als „Mann“ oder „Frau“ anzuzweifeln, sondern zum Nachdenken anzuregen, wie Sprache Stereotype über Geschlechter reproduziert und wie dies durch einen sensible(re)n Sprachgebrauch verändert werden kann. 

Stereotype & Vorurteile

Ein Stereotyp ist ein festes und vereinfachtes Bild zur Typisierung bestimmter Gruppen von Menschen, das weit verbreitet ist und als Erkennungszeichen dieser Gruppe wahrgenommen und verwendet wird. Demnach gibt es die Einteilung in Mädchen- und Jungenfarben, Frauen- und Männerberufe oder verschiedene Klischees wie zum Beispiel "alle Deutschen tragen Lederhosen". 

Alle Menschen haben Vorurteile, egal ob positive oder negative. Niemand wird mit Vorurteilen geboren. Menschen wachsen mit ihnen auf und sie werden erlernt. 

Vorurteile sind Bewertungen von Personen, Gruppen oder Sachverhalten, die nicht auf eigener Erfahrung beruhen, sondern auf Generalisierung. Es werden Personen aufgrund ihrer Gruppen-zugehörigkeit Eigenschaften zugeschrieben, ohne diese vorher überprüft zu haben. Vorurteile erfüllen einen bestimmten Zweck und werden von Menschen auf verschiedene Weise genutzt. Sie werden häufig dazu verwendet, die eigene Gruppe von „anderen“ zu unterscheiden. Sie stärken das „Wir-Gefühl“ und somit den Zusammenhalt der eigenen Gruppe. Fachsprachlich wird dieser Prozess als „Othering“ bezeichnet. Der Begriff beschreibt die Distanzierung oder Differenzierung zu anderen Gruppen, um die eigene „Normalität“ zu bestätigen. Dabei wird die eigene Norm als richtig, gut, positiv und normal aufgefasst. Die „Anderen“ hingegen als falsch, schlecht, abweichend, andersartig, fremd und negativ.  

Vorurteile haben folgende Funktionen:  

  • Reduzierung von Unsicherheit 
  • Vorurteile dienen der Orientierung, vereinfachen die Wahrnehmung in einer komplexen Welt und ermöglichen Widersprüche auszublenden  
  • Herstellung klarer Zugehörigkeit 
  • Vorurteile definieren die „Anderen“ und das Selbst; sie fungieren als „soziale Eintrittskarte“ in bestimmte Gruppen  
  • Erhalt eines positiven Selbstbilds 
  • Die Abwertung „Anderer“ dient der Aufwertung der eigenen Gruppe. Ein Gefühl der Stärke innerhalb der Eigengruppe wird erreicht und aggressive Gefühle werden auf Fremdgruppen verschoben  
  • Legitimation von Herrschaft 
  • Vorurteile erhalten ungleiche Machtverhältnisse zwischen Mehrheiten und Minderheiten. Sie ermöglichen Macht auf Kosten „Anderer“ 

Vorurteile und Stereotype sind nicht als individuelle Fehlurteile zu sehen, sondern als gesellschaftlich verfestigte Ideologien. Sie sind gesellschaftlich vorherrschende Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster. Wenn sie erlernt werden, können sie auch wieder verlernt werden. Durch die Fragen „Wie entstehen sie?“ und „Warum ist das so?“ können Vorurteile und Stereotype aufgedeckt, hinterfragt und durch die Entwicklung einer vorurteilsbewussten Haltung verändert werden. 

Diskriminierung

Diskriminierung ist eine abwertende Unterscheidung von Menschen bzw. Gruppen von Menschen, mit der ihre Ungleichbehandlung gerechtfertigt wird. Sie geschieht anhand bestimmter Merkmale wie Herkunft, Sprache, sozialer Status, Geschlecht, Alter, Religion, körperliche und geistige Verfassung, sexuelle Orientierung usw. und wird durch entsprechende Ideologien gestützt (Rassismus, Sexismus, Antisemitismus usw.). Diskriminierung funktioniert nur in ungleichen Machtbeziehungen. Sie kann direkt sein durch unmittelbare Äußerungen und Handlungen oder sie kann indirekt durch Institutionen wie Gesetze und Richtlinien ausgeübt werden („Institutionalisierte Diskriminierung“). 

Wichtig für Dich als Jugendleiterin oder Jugendleiter! 

  • Beachte, dass du eine Vorbildwirkung hast! 
  • Achte auf deine Sprache und Verhaltensweise! 
  • Unterstütze deine Gruppenmitglieder darin, Stereotype und Vorurteile zu erkennen und kritisch zu hinterfragen! 
  • Thematisiere Machtverhältnisse in der Gruppe und in der Gesellschaft! 
  • Rege zum Perspektivwechsel an und entdecke Gemeinsamkeiten mit „Anderen“! 
  • Sensibilisiere für soziale und kulturelle Vielfalt! 
  • Wähle Material und Methoden aus, die der Vielfalt gerecht werden! 
  • Vermittle, dass Vorurteile auch wieder verlernt werden können! 

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Wird ein Mensch diskriminiert, ohne dass dies aus einem individuellen Verhältnis heraus begründet ist, sondern durch eine Gruppenzuordnung mit zugeschriebener geringerer Wertigkeit, handelt es sich um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF). 

Wird z. B. eine obdachlos lebende Person als „fauler Sack“ beleidigt, nachdem sie eine andere Person in der Stadt nach Essen gefragt hat, handelt es sich um eine Form von GMF. Die Beleidigung geschieht dabei nicht aus einem persönlichen Verhältnis der beiden Personen zueinander, sondern aus dem Vorurteil, dass obdachlos lebende Personen faul seien. 

Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit 

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hat viele Formen, in denen sie einzeln oder kombiniert auftreten kann:  

Rassismus 

ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale, die eine gemeinsame Abstammung vermuten lassen, als sogenannte „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden. Aufgrund ihrer Hautfarbe, Kultur oder ethnischen Herkunft werden Menschen bevorzugt oder benachteiligt. 

Sexismus 

ist die Abwertung von Frauen und / oder Männern, die Erwartung, sich „typisch weiblich“ oder „typisch männlich“ zu verhalten. 

Antisemitismus 

ist die Feindseligkeit gegenüber Jüdinnen und Juden. 

Antiziganismus 

ist die Feindseligkeit gegenüber Sinti/Sintize und Roma/Romnja. 

Antimuslimischer Rassismus 

ist die Feindseligkeit gegenüber Muslimen und Muslima. 

Fordern vom Recht des Stärkeren 

ist die Überzeugung, dass Menschen wegen Armut, Arbeitslosigkeit oder Obdachlosigkeit etc. weniger wert seien. 

Homophobie 

ist die Feindseligkeit gegenüber lesbischen, schwulen bzw. bisexuellen Menschen und der Vielfalt der Geschlechter allgemein. 

Queerfeindlichkeit 

ist die Diskriminierung und Anfeindung von Menschen, die sich der queeren Community zuordnen. 

Ableismus  

ist die Feindseligkeit gegenüber Menschen mit Behinderung und die Überzeugung, dass Menschen wegen Krankheit oder Beeinträchtigungen etc. weniger wert seien.  

to be able (engl.) = fähig sein / in der Lage sein 

Aus der obigen Auflistung wird deutlich, dass Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der gesamten Gesellschaft verbreitet ist. 

Die Grundlage für Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist eine Ideologie, die die Gleichwertigkeit aller Menschen ablehnt. Es ist wichtig, solche Denkweisen bei sich und anderen zu erkennen, sie sich bewusst zu machen, sie anzusprechen und zu kritisieren. "GMF" basiert auf der Anerkennung von Vorurteilen und den sich daraus ergebenden Zuschreibungen. Bezogen auf eine Gruppe und verbunden mit dem Ziel, die der Gruppe zugeordneten Personen zu diskriminieren, schaffen diese Vorurteile Feindbilder und legitimieren Gewalt an Menschengruppen.  

Für die Praxis ist es notwendig, Maßnahmen zu schaffen, die das Erleben von Gleichwertigkeit ermöglichen. Um dies zu schaffen, ist es ratsam, sich mit den Erscheinungsformen von "GMF" und deren Ideologien zu beschäftigen sowie einen Überblick von Organisationen und Gruppen zu haben, die "GMF" aktiv fördern und umsetzen. 

Autorin dieser Fachbeiträge