Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen
Um verstehen zu können, warum Medienpädagogik in der Jugendfeuerwehr eine wichtige Rolle spielt, werden hier zunächst die mediale Ausstattung und das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen allgemein betrachtet. Außerdem wird dargelegt, welche Rolle Medien in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen spielen und welche Schlüsse sich daraus für den Umgang mit Medien in der Jugendfeuerwehr ziehen lassen.
Die Themen im Überblick:
Mediale Ausstattung von Kindern und Jugendlichen
In so gut wie allen Haushalten sind heute Fernseher, Handys/Smartphones, Computer und ein Internetzugang vorhanden und allgegenwärtig. Das zeigen die aktuellen Studien. 96 % aller 12- bis 19-Jährigen besitzen ein eigenes Handy/Smartphone. Bereits bei den 6- bis 13-Jährigen sind Handys, Smartphones und das Internet feste Begleiter im alltäglichen Leben. Sind es bei den 6- bis 7-Jährigen noch 27 %, die ein Smartphone besitzen, sind es unter den 12- bis 13-Jährigen schon 96 %.[1]
[1] Vergleiche Kinder, Internet, Medien Studie (KIM-Studie) und Jugend, Information, Medien – Studie (JIM-Studie) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) von 2020.
Welche Angebote nutzen Kinder und Jugendliche?
Neben der medialen Ausstattung lohnt es sich, auch einen Blick auf die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zu werfen, um zu verstehen, in welcher Lebenswelt Kinder und Jugendliche sich heutzutage befinden.
Insgesamt sind das Smartphone und das Internet tägliche Begleiter von Kindern und Jugendlichen. 93 % aller 12- bis 19-Jährigen nutzen das Smartphone täglich. Die tägliche Onlinenutzung hat sich im Vergleich zum Jahr 2010 von 138 Minuten auf 258 Minuten im Jahr 2020 fast verdoppelt. Dabei dient der Großteil der Nutzung der Unterhaltung. Den größten Teil, nämlich rund ein Drittel ihrer Onlinenutzung, verwenden Mädchen für Kommunikation, bei Jungen sind es mit 34 % Spiele. Insgesamt spielen Jungen häufiger als Mädchen digitale Spiele, dagegen lesen Mädchen mehr als Jungen (bei 42 % aller Mädchen zählt Bücher lesen noch zu einer wichtigen Freizeitbeschäftigung, bei Jungen sind es 28 %). Computer spielen und die Smartphonenutzung nehmen mit dem Alter zu, spielerische Aktivitäten, Malen und Basteln nehmen ab.[1]
Die wichtigsten Apps von 12- bis 19-Jährigen sind aktuell WhatsApp, Instagram, YouTube, Snapchat, Spotify und TikTok. Abgeschlagen ist Facebook mit nur noch 17 % aller Jugendlichen, die diesen Dienst nutzen. Bei Erwachsenen hingegen, also bei den 30- bis 49-Jährigen, ist Facebook nach wie vor auf Platz 1.[2] Eine auffällige Entwicklung bei Jugendlichen ist derzeit die Zunahme der Nutzung von TikTok, die sich im Vergleich zum Jahr 2019 verdoppelt hat. Als Kommunikationsplattform spielen vor allem für Jungen auch Twitch und Twitter eine Rolle.
Musik wird bei Kindern und Jugendlichen am häufigsten über Spotify gehört, dicht gefolgt von YouTube. Sie informieren sich hauptsächlich über Suchmaschinen wie Google, doch auch hier liegt YouTube bereits auf Rang 2 vor diversen Nachrichtenportalen.
Ein weiterer Trend, der sich gerade abzeichnet, ist das Fernsehen über den PC/Laptop, das Smartphone oder das Tablet. Streaming-Angebote werden vermehrt konsumiert.
Digitale Spiele werden am häufigsten über das Smartphone gespielt, über Konsolen und über den PC/Laptop. Mädchen spielen eher am Smartphone, Jungen eher am PC/Laptop oder an der Konsole.
Was nehmen Kinder und Jugendliche negativ in der Mediennutzung wahr?
In der JIM-Studie wurden die Jugendlichen auch zu Hassbotschaften und Cybermobbing befragt. Über 29 % aller Jugendlichen gaben an, dass über sie bereits falsche und beleidigende Behauptungen über das Handy oder im Internet verbreitet wurden. Über 50 % der Jugendlichen begegneten alleine im Monat vor der Befragung Hassbotschaften im Netz. Über ein Drittel der Befragten hat schon einmal mitbekommen, dass jemand im direkten Umfeld absichtlich „fertig gemacht“ wurde und 11 % sind selbst schon einmal Opfer von Mobbing im Internet geworden. Fast die Hälfte aller Jugendlichen berichten von Verschwörungstheorien und extremen politischen Ansichten. Insgesamt berichten eher Jüngere und eher Jugendliche aus niedrigeren Bildungshintergründen von diesen Inhalten.[1]
[1] mpfs (2020)
Aufwachsen mit (neuen) Medien
Im Gegensatz zu vielen Erwachsenen wachsen Kinder und Jugendliche heute in einer digitalisierten Welt auf. Sie kennen Computer, Handys/Smartphones und das Internet bereits seit Beginn ihres Lebens („Digital Natives“). Für sie sind Medien daher nicht nur ein wichtiger Teil ihrer Umgebung, sondern auch ein wichtiger Teil ihrer Entwicklung. Kinder von ca. 6 bis 12 Jahren entwickeln in diesem Lebensabschnitt ihre Motorik, soziale Verhaltensweisen, grundlegende kognitive Fähigkeiten wie Schreiben und Rechnen, Denkschemata für das Alltagsleben, Gewissen und Moral und werden persönlich unabhängiger. Doch auch bei den Jugendlichen von ca. 13 bis 18 Jahren ist die Entwicklung noch in vollem Gange: Sie bilden ihre Geschlechtsidentität aus, setzen sich mit ihrem Körper auseinander, bereiten sich auf das Erwachsenenleben vor und bilden ein ethisches und moralisches Verständnis aus. Kinder und Jugendliche müssen diese Entwicklungsschritte bewältigen. Sie müssen mit den täglichen Anforderungen zurechtkommen und ihren Platz in der Gesellschaft finden. Für alle Entwicklungsschritte und Herausforderungen können Medien eine bedeutsame Rolle spielen und Einfluss nehmen. Die Medien sind mittlerweile in der Schule beim Lernen allgegenwärtig. Auch in der Freizeit sind sie nicht wegzudenken. Kinder und Jugendliche kommunizieren über Medien und vergleichen sich mit anderen in sozialen Netzwerken. Meinungen und Ansichten werden ausgebildet, indem sie sich über das Internet informieren oder austauschen. Trotzdem sind die Aufwachsenden diesen medialen Einflüssen nicht einfach ungefiltert und unreflektiert ausgesetzt. Sie gehen aktiv mit den Medien um und gestalten sie sogar selbst. Sie suchen sich bewusst aus, welche Angebote und Funktionen genutzt werden, um die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen oder den eigenen Interessen gerecht zu werden.
Für die genannten Entwicklungsschritte können Medien sowohl Chancen als auch Risiken sein. Werden altersgerechte Medienangebote konsumiert, können Kinder und Jugendliche davon sicher profitieren. Auch passende Lehrmaterialien können den Lernvorgang unterstützen. Im Gegensatz dazu gibt es aber viele Risiken, die die Entwicklung auch negativ beeinflussen können. Dazu gehören beispielsweise ethisch und moralisch fragwürdige Inhalte, Hasskommentare, Cybermobbing, Gewaltdarstellungen oder extreme politische Ansichten.[1] Dazu mehr unter Chancen und Risiken von Medien.
Um mit Medien aktiv, kompetent und reflektiert umgehen zu können, braucht es sowohl Medienkompetenz als auch die Unterstützung der Erwachsenen. Was es bedeutet, „medienkompetent“ zu sein, wird im übernächsten Abschnitt zu Medienkompetenz näher erklärt.
[1] Süss/Lampert/Wijnen (2010)
Bedeutung von Medien in der Jugendfeuerwehr
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen deutlich, dass Medien allgegenwärtige Begleiter von Kindern und Jugendlichen sind. Fast alle Jugendlichen im Alter der Jugendfeuerwehr besitzen eigene Smartphones und fast alle nutzen diese, um online zu sein. Die Informationen über das Nutzungsverhalten sind für die Leitenden in der Jugendfeuerwehr Anhaltspunkte, um die Lebenswelten und auch die Interessen der Kinder und Jugendlichen zu verstehen. Zusätzlich bietet das Nutzungsverhalten Orientierung, über welche Plattformen die Kinder und Jugendlichen erreichbar sind und welche Inhalte sie beschäftigen.
Als Beispiel lässt sich anhand der Zahlen schlussfolgern, dass eine Kampagne zur Mitgliedergewinnung direkt an Kinder und Jugendliche gerichtet über Facebook nicht zielführend ist, da sich die Kinder und Jugendlichen hier kaum „aufhalten“, andererseits könnte Facebook eine passende Plattform sein, um die erwachsenen Jugendwartinnen und Jugendwarte zu erreichen.
Suchen die Kinder und Jugendlichen Informationen, bemühen sie Suchmaschinen, meist Google und YouTube. Es ist also ratsam, auf Websites mit Kontaktdaten und Informationen präsent zu sein, die über Google gefunden werden können. Auch ein Social-Media-Auftritt auf verschiedenen Plattformen kann hilfreich sein, um Jugendliche zu erreichen.
Die Jugendfeuerwehr kann ein Ort für Kinder und Jugendliche sein, an dem physische, sportliche und gemeinschaftliche Erfahrungen im Mittelpunkt stehen und der Medienkonsum in den Hintergrund rückt. Nichtsdestotrotz geht es in der Jugendfeuerwehr nicht nur um die Vermittlung von feuerwehrtechnischem Wissen. Auch die Bildung und Förderung der Entwicklung jedes einzelnen Mitglieds steht besonders im Vordergrund. Wie oben beschrieben, spielen Medien in der Entwicklung eine maßgebliche Rolle im Alltag. Daher ist es nicht ratsam, Medien aus den Übungen komplett auszuklammern. Kinder und Jugendliche brauchen Vertrauenspersonen wie ihre Betreuerinnen und Betreuer in der Jugendfeuerwehr bzw. den Kindergruppen, die sie beim Umgang mit Medien beraten und unterstützen und sie beim Erwerb von Medienkompetenz begleiten. Außerdem bieten Medien vielfältige Möglichkeiten bei der didaktischen Umsetzung der Übungen und Gruppenstunden und können so das Lernen der Kinder und Jugendlichen optimal unterstützen (siehe Mediendidaktik).